Oft hört man "Pferde sind Steppentiere" und daher soll man Pferden nicht zu viel füttern, weil sie auf eine eher karge Fütterung eingestellt sind. Aber stimmt das überhaupt oder ist das ein Mythos aus der Pferdewelt, den wir immer wieder hören und ihn daher als wahr annehmen?
In diesem Artikel geht meine Kollegin Christa Friedli Müller auf das Thema ein, was ist eine Steppe überhaupt und stammen unsere Pferde denn wirklich nur aus trockenen kargen Gebieten. Welche Pflanzen finden Pferde in ihrer natürlichen Umgebung, um zu überleben und welchen Einfluss hat das auf die Pferdefütterung?
Pferde sind Steppentiere
Neulich hatte ich eine Diskussion zum Thema «Pferde sind Steppentiere». Die Person, die das erwähnte, fand, dass Pferde ja aus kargen Gegenden stammen und deshalb nicht viel Futter erhalten sollten.
Ich habe dann mal nachgefragt, was sie mit «Steppe» denn meine oder aus welcher/welchen Steppe/n die Pferde denn stammten: Aus semi-ariden, ariden Steppen? Oder eher aus semi-humiden oder humiden Gebieten? Aus Norden, Süden, Ost oder West?
Eine Antwort darauf habe ich nicht erhalten und im Verlauf der weiteren Diskussion ist mir aufgefallen, dass wohl viele eigentlich gar nicht wissen, was «Steppe» bedeutet. Denn der aus dem russischen abgeleitete Begriff «Steppe» könnte übersetzt werden mit «unbebaute Fläche». Unbebaut ja, aber auch «unbewachsen»? Ich habe mir daraufhin ein paar Überlegungen zum Thema «Pferde sind Steppentiere» gemacht.
Mythos Steppentier
Woher stammt die Behauptung/Vorstellung Pferde seien Steppentiere? Und wenn Pferde tatsächlich reine Steppentiere wären, was bedeutet «Steppe» eigentlich? In der Vorstellung vieler (Pferde-)Menschen sind Steppen karge Landstriche, auf denen kaum etwas bis gar nichts wächst.
Basierend auf dieser Vorstellung herrscht entsprechend die Meinung vor, dass das «Steppentier» Pferd «fast gar nichts» braucht, da es ja aus kargen Gegenden stammt. Steppen sind in dieser Vorstellungswelt also nichts anderes als vegetationsarme Gebiete, die den Tieren ernährungstechnisch nichts zu bieten haben.
Wenn dies so wäre, stellt sich mir ganz spontan die Frage: Wie um alles in der Welt haben die Pferde es dann geschafft, 50 Millionen Jahre nicht nur zu überleben, sondern sich auch weiterzuentwickeln?
Denn wenn das Futterangebot immer so karg gewesen wäre, hätte das nicht unweigerlich dazu führen müssen, dass Equus ausgestorben wäre? Mit hungrigem Bauch flüchtet es sich wahrscheinlich relativ schlecht; die Pferde wären geschwächt und damit leichte Beute für die Raubtiere gewesen.
Woher stammen unsere Pferde wirklich?
Pferde stammen aus ganz unterschiedlichen Regionen dieser Welt und keineswegs nur aus steppenartigen Gebieten. Beginnend beim Eohippus, dem Urpferdchen, das ein Waldbewohner und Laubesser war.
Ein kurzer Blick auf die Evolution der Pferde macht klar: Pferde, wie wir sie heute kennen, haben in ihrer Entwicklung eine veritable «Rosskur» hinter sich. Über 50 Millionen Jahre hat es gedauert, bis das Pferd sozusagen «fertig» war.
Eine lange Reise hat das Pferd also hinter sich – und es ist ein Paradebeispiel der Evolution.
Denn seine Ahnenreihe ist alles andere als linear zustande gekommen; viele verzweigte und komplizierte Irrwege waren für seine Entwicklung nötig. Seine Entstehung ist mit den immer wieder erfolgten «Metamorphosen», sprich Anpassungen ihrer Vorfahren während ihrer Wanderungen durch Zeiten und Räume an die jeweiligen Umwelt-Veränderungen zu verdanken.
Unser Urpferdchen und seine Nachfolger mussten sich also über Jahrmillionen den sich verändernden Umweltbedingungen anpassen; während dieser Reise fanden sich einige Vorfahren der heutigen Pferde auf steppenartigem Gelände wieder. Und hier ist er wieder, der Begriff «Steppe».
Weisst Du, was eine Steppe ist?
Landläufig werden Steppen als öde weite Landschaften wahrgenommen. Aber ist das so?
Da Archäologen anhand alter DNA erst vor Kurzem herausgefunden haben, dass die Vorfahren unserer heutigen domestizierten Pferde aus der eurasischen Steppe stammen sollen, sehen wir uns den eurasischen Kontinent doch einmal etwas genauer an.
Bei dieser genaueren Betrachtung stellt sich nämlich heraus, dass alleine in der eurasischen Steppe weit über 1.500 Pflanzenarten gedeihen.
Steppe bedeutet fruchtbare Böden, die so große Begehrlichkeiten weckten, dass der Mensch sie nahezu zerstörte. Und nicht zuletzt findet sich in der Steppe Wasser, und zwar so viel, dass sich Millionen Vögel mitten in dieser vermeintlichen „Einöde“ treffen, um zu rasten.
Wenn wir uns vorstellen, dass Pferde im Zuge ihrer Evolution in ihrem ständig wechselnden natürlichen Habitat wandernd auf Futtersuche unterwegs waren, dann trafen sie zu unterschiedlichen (Jahres-)Zeiten und in unterschiedlichen Erd-Zeitaltern auf verschiedene Futterangebote.
Sie zogen vielleicht über die Langgrassteppen weiter zu den Krautsteppen, passierten dabei bewaldete Steppengebiete, um sich schließlich auf Mischgras- oder Kurzgrassteppen einzufinden. Denn gerade die Böden der eurasischen Steppe sind äußerst fruchtbare Humusakkumulationsböden mit tiefgründigem, humusreichem Oberboden. Und übrigens gelten die Steppen Kleinasiens als Herkunftsgebiet unserer heutigen Getreidearten.
Für mich klingt das nach einem sehr vielfältigen Nahrungsangebot und einem reichhaltig gedeckten «Tisch» - auf dem die Pferde übrigens nebst vielen Kräutern und Gräsern auch Moose und Flechten, Sträucher wie die Heidekrautgewächse sowie Beeren und Samen als Futter fanden.
Was bedeutet das für die Pferdefütterung?
Pferde benötigten (und benötigen noch immer!) auch der Jahreszeit entsprechend wachsende Wildkräuter, Hölzer, Rinde, Zweige und Blätter. Je nach Vegetationsphase oder Jahreszeit hatten sie – vom Eohippus im Eozän bis zu den Vorfahren des Equus unserer modernen Welt - in ihrem natürlichen Lebensraum Zugang zu einem sehr vielfältigen Nahrungsangebot.
Also keine karge Ernährung, sondern eher nährstoffreiches Grün sowie proteinhaltige Kräuter, Beeren und Samen zur Verfügung oder holzige, überständige Gräser (lebendiges Heu), Büsche und Wurzeln.
Lange Wanderungen können unsere domestizierten Pferde keine mehr unternehmen; glücklich dürfen sich wohl schon jene schätzen, die regelmässig auf eine Weide mit gutem, sprich abwechslungsreichem Futterangebot kommen. Und das dürften wohl wenige sein.
Wenn ich im Moment sehe, was noch als «Weide» herhalten muss, packt mich das nackte Grauen. Landauf, landab sehe ich bis auf die Grasnarbe abgegessene Flächen. Und auf diesen «Pferdeweiden» ist definitiv nichts von dieser unglaublichen Vielfalt zu sehen, wie sie in der scheinbar «kargen» Steppenlandschaft zu finden war/ist. Natürlich waren die Flächen auch dort irgendwann abgegrast, aber die Pferde zogen dann einfach weiter.
Ich denke, mit einem guten «Management» in der Pferdehaltung ließe sich auch hierzulande vieles verbessern (aber das ist dann wieder ein anderes Thema).
Für mich ist klar: Nicht «karg» füttern kann und darf das Ziel sein, sondern vielfältig und abwechslungsreich und auch saisongerecht.
Das lässt sich mit wenig Aufwand umsetzen. Um das Nahrungsangebot für Pferde «auszubauen», können wir auf langen Wanderungen dem Pferd die Möglichkeit bieten, sich selbst Nahrung zu suchen – wer dies bereits macht, wird festgestellt haben: Die Pferde suchen zielgerichtet nach Kräutern, Büschen, Blättern, Wurzeln, Beeren, Früchten, mineralhaltigen Böden etc. und wissen genau, zu welcher Jahreszeit sie welche Nahrung/Nährstoffe bevorzugen respektive brauchen.
Noch ein spannender Fakt
Forschende der Uni Kopenhagen untersuchten fossilen Kot von Pferden sowie von Mammuts, Wollnashörnern und Bisons, die in der Zeit zwischen 55.000 und 21.000 Jahren lebten.
Man ging bisher davon aus, dass damals, also während der letzten Eiszeit, sogenannte «Mammut-Steppen» vorherrschten, die vorwiegend aus Grasland bestanden. Den Forschern gelang es nun, die Kotproben auf die DNA von Pflanzenresten zu analysieren. Dabei fanden sie kaum Spuren einer graslastigen Steppe, ganz im Gegenteil:
63 Prozent der DNA stammte von krautigen Blütenpflanzen, nur 27 Prozent von Gräsern.
Dies deutet darauf hin, dass die Tiere sich von proteinreichen Kräutern ernährten und sich nicht explizit auf Gras spezialisierten.
Hat Dir dieser Artikel Lust gemacht hat, die Fütterung Deines Pferdes genauer anzuschauen und viele ausgiebige Spaziergänge mit Deinem Pferd auf der Suche nach Pflanzen, Blättern, Kräuter, Rinde und Moos mit Deinem Pferd zu machen? Oder anstatt Müslis, Kraftfutter und zuckrigen Lecksteinen Deinem Pferd Kräuter und natürliche Mineralien anzubieten? Das würde uns freuen!
Zur Autorin:
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Christa Friedli Müller - Texterei
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